Wir freuen uns über unsere Feier zum Jubiläum des Komm-und-sieh-Kurses 

Der nachfolgende Artikel stammt von
Dorothee Wanzek. Mit freundlicher Genehmigung der Kirchenzeitung Tag des Herrn. Alle Rechte vorbehalten. © St. Benno-Verlag, Leipzig.

Ein Kurs, der das Leben prägt

Seit 20 Jahren gehört der Komm-und-sieh-Kurs wesentlich zum Angebot des Dresdner St.-Benno-Gymnasiums. Vielen Elftklässlern bietet er nicht nur eine einzigartige Gemeinschaftserfahrung. Er erschließt ihnen auch eine spirituelle Dimension ihres Lebens. 

VON DOROTHEE WANZEK 

„Ich sammle seit 19 Jahren Muscheln“, verriet Benno Stilbach, ein gestandener Banker, bei der Festveranstaltung zum zwanzigjährigen Bestehen der Komm-und-sieh-Kurse. Der ehemalige Bennoschüler bezog sich dabei nicht etwa auf seine Ostseeurlaube, sondern auf die Tagesrückblicke, die er einst in Assisi kennengelernt und eingeübt hat. Die Muschel steht dabei als Bild für das Besondere, Geheimnisvolle im Leben, das den Einzelnen wachsen lässt. In abendlichen „Muschelrunden“ spüren die Jugendlichen nicht nur für sich allein dem nach, was ihr inneres Wachstum befördert, sie erzählen einander auch von ihren „Muschel-Momenten.“ 
     Die erwachsenen Begleiter um Jürgen Leide, den stellvertretenden Schulleiter des St. Benno-Gymnasiums, stehen dem nicht nach, lassen die Jugendlichen an eigenen Entdeckungen auf dem persönlichen Glaubensweg, aber auch an Durststrecken teilhaben. Besonders für Jürgen Leides offene Worte über seine frühere Glaubenskrise ist Benno Stilbach im nachhinein dankbar. Als er selbst zu zweifeln begann und mit seinem Glauben haderte, habe er sich an das ehrliche Bekenntnis seines früheren Lehrers erinnert. Das habe ihm dabei geholfen, die Krise durchzustehen und in der Kirche zu bleiben – wenngleich sein Platz dort für eine gewisse Zeit ganz hinten war. 

Jugendliche mit ihren Fragen ernst nehmen 

Vor 25 Jahren hatte Jürgen Leide an seiner damaligen Wirkungsstätte, dem Jesuitenkolleg St. Blasien, den Komm-und-sieh-Kurs ins Leben gerufen. Im Hinterkopf hatte er dabei, was er selbst mit Anfang zwanzig erlebt hat, als er kurz davor war, aus der Kirche auszutreten. Er war damals auf Menschen gestoßen, die ihm von ihren Erfahrungen im Glauben erzählten. „Dort wurde ich ernst genommen mit meinen Fragen, meiner Kritik, und meiner Eigenart. Ich konnte selbst Erfahrungen machen, die mich wirklich berührt haben“, erinnert er sich. 
     Mit dem Komm-und-Sieh-Kurs wollte er den Schülern einen „offenen, wertschätzenden, ehrlichen Raum“ eröffnen, in dem sich „Begegnung ereignen kann mit sich selbst, mit anderen, mit dem Leben, mit Gott“. Als er 1997 nach Dresden wechselte, brachte er seine Begeisterung für diese Idee mit und entwickelte sie hier weiter. 
     Für Benno Stilbach war der Kurs „die erste spirituelle Erfahrung, die ich in meinem Leben gemacht habe“, auch wenn er sich vor der Assisifahrt eher auf Badeurlaub an der Adria eingestellt hatte. Mittlerweile müssen die Jugendlichen, die an der Fahrt teilnehmen wollen, in einer schriftlichen Bewerbung deutlich machen, dass sie bereit sind, sich ernsthaft auf diese durchaus anstrengende Erfahrung einzulassen. Zwei Drittel aller Elftklässler des Benno-Gymnasiums war in den vergangen Jahren mit dabei, die Zahl der Interessenten war noch größer. Nicht jeder wird dadurch zum entschiedenen Christ. Der Kurs hinterlässt in unterschiedlicher Weise Spuren im Leben der jungen Menschen. „In mir ist dort Dankbarkeit für meine Familie gewachsen, für meine Eltern“, sagt ein junger Mann, dessen Kurserfahrung noch nicht so lange zurückliegt. Eine gleichaltrige Frau hat erkannt, wie wertvoll Stille sein kann. Beide sind dauerhaft berührt von den intensiven Gemeinschaftserfahrungen, die sie im Kurs gemacht haben. Von Schülern, die in christlichen Familien aufgewachsen sind, ist zu hören, dass der Kurs ihnen geholfen hat, zu einer bewussten persönlichen Glaubensentscheidung zu finden. „Vor zwei Jahren, als die Gleichaltrigen in meiner Gemeinde gefirmt wurden, habe ich bewusst Nein gesagt“, erzählt eine Katholikin. „Ich war gerade in einer Glaubenskrise, hatte Zweifel, wollte nicht zu allem Ja und Amen sagen.“ Im Kurs habe sie sich dann damit auseinandergesetzt, was der Glaube für sie persönlich bedeutet, wie sie ihn leben kann. Vor kurzem hat sie ihre Firmung gefeiert. Ihr Firmname: Franz von Assisi. Der Firmspruch: Komm und sieh! 

Sein Leben im Licht des Evangeliums betrachten 

Monatliche Komm-und-sieh-Gottesdienste in der Schulkapelle sollen dazu beitragen, die Kurs-Erfahrungen lebendig zu halten. Auf Betreiben von Schülern wurde während der Jubiläumsfeier in der Kapelle eine Kopie des Kreuzes aufgestellt, vor dem Franz von Assisi einst seine Berufung verstand. Gemeinsam mit Franziskaner-Mönchen beten die Schüler während der Assisifahrten täglich vor diesem Kreuz. Im St. Benno-Gymnasium war ausgiebig darüber diskutiert worden, ob dieses Kreuz überhaupt zu der Schule passt, die traditionell eher von der Spiritualität Ignatius von Loyolas geprägt ist. Dass Franz und Ignatius gut zusammenpassen, haben nicht zuletzt die Komm-und-sieh- Kurse seit Jahren bestätigt. 
     Bischof Heinrich Timmerevers, der die Kreuzikone segnete, wies auf das Christus-Gesicht hin, das dem Betrachter mit großen offenen Augen freundlich entgegenblickt. „Schaut ihn an, bevor ihr einen Weg geht, lasst euch von ihm liebevoll anschauen!“, sagte er der Schulgemeinde. Er wünschte jedem der Anwesenden, dass er darin den Frieden Jesu erfahre, der durch Leid, Kreuz und Tod hindurchgehe. 
     Kapuzinerbruder Leonhard Lehmann, der als einer der bedeutendsten Franziskusforscher der Gegenwart gilt, erläuterte die Bildsprache des Kreuzes. Er nutzte die Gelegenheit, den Komm- und-sieh-Kurs zu würdigen als wertvollen Weg, Jugendliche auf ihrer Berufung ins Leben zu begleiten. Wie Franziskus ließen sie sich dabei leiten von den Fragen, die das Leben stellt. Sie betrachteten das eigene Leben im Licht des Evangeliums. 
     Viele bisherige Kursteilnehmer haben sich eine Miniaturausgabe des Kreuzes aus Assisi als Andenken nach Hause gebracht. „Das, was der Kern meines Glaubens ist, kommt für mich in diesem Kreuz zum Ausdruck. Immer, wenn ich in den vergangenen Jahren eine neue Arbeitsstelle angetreten habe, war das Kreuz das erste, was ich dorthin gebracht habe.“ In der gegenwärtigen Situation der Kirche im Bistum Dresden-Meißen sehe er das Kreuz des heiligen Franz als „mächtige Mahnung“. „Baue meine Kirche wieder auf!“, war der Auftrag Jesu, den Franziskus vor diesem Kreuz vernahm. Auch heute sei die Kirche hierzulande in keiner guten Verfassung. Dieser Auftrag sei demzufolge heute wieder aktuell, und zur Umsetzung brauche es dringend die Unterstützung „mutig dienender Seelsorger“.
     Bei der Jubiläums-Feier waren auch zahlreiche Unterstützer des Kurses vertreten, darunter finanzielle Förderer wie das Katholische Schulwerk St. Benno, aber auch Ordenschristen wie Schwester Paola von den Kleinen Schwestern von Charles de Foucauld, die lange in Aleppo gelebt hat und den Jugendlichen in Assisi als Gesprächspartnerin über ihre Berufung und ihr Leben als Christ zur Verfügung stand. 

Zur Sache : Die eigene Sehnsucht nach Leben ergründen 

 „Komm und sieh!“ wird Jesus im Johannesevangelium zitiert. Er hat diese Worte an junge Menschen gerichtet, die sich von seinem Leben und seiner Botschaft berührt fühlten. 

Der Komm-und-sieh-Kurs wird am St. Benno-Gymnasium allen Elftklässlern angeboten – religiös gebundenen ebenso wie suchenden und areligiösen. Ziel ist es, den Schülern Erfahrungsräume zu eröffnen für ihre Suche nach Antworten auf ihre tieferen Sehnsüchte. Der Kurs umfasst ein Eröffnungswochenende und sechswöchige Exerzitien im Alltag, eine neuntägige Assisifahrt und monatliche Komm-und-sieh-Gottesdienste in der Schulkapelle. An diesen Gottesdiensten nehmen auch Ehemalige, Freunde und Eltern teil. Für Zwölftklässler und Schulabsolventen werden zudem jährliche Berufungsexerzitien angeboten. Der Höhepunkt des Kurses ist die Fahrt nach Assisi. Hier treffen die Jugendlichen Ordensleute, sie lernen Lebensstationen von Franz und Clara von Assisi kennen, treten in Beziehung mit ihren Kurskollegen, mit sich selbst und mit Gott. Viele Teilnehmer geben während der ersten Tage freiwillig ihre Smartphones ab, um die Zeit intensiver erleben zu können. Prägende Elemente sind so genannte „Muschelrunden“ mit Austausch zu den wertvollen Erfahrungen des Tages, Stille-Erfahrungen, das Angebot zu Einzelgesprächen sowie das Tagebuchschreiben als eine Hilfe, Grundlegendes im eigenen Leben zu erfassen. 

 

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