2014 - Ein Jahr nach "Haiyan"

Zur Hilfe für die Opfer des Taifuns auf den Philippinen

Wie sieht es auf der Insel Culion ein Jahr nach dem Taifun aus, der
am 8. November 2013 Dörfer zerstört und Lebensgrundlagen entzogen hat?

Im Osterheft von Weltweit, dem Magazin der Jesuitenmission, hatten wir Ihnen die philippinische Insel Culion vorgestellt und Sie um Unterstützung für die langfristige Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe gebeten. 140.000 Euro haben Sie auf diese Bitte gespendet, so dass wir zusammen mit den Spenden direkt nach dem Taifun insgesamt einen Betrag von 620.000 Euro erhalten haben. Die akute Nothilfe und die langfristige Wiederaufbauarbeit haben wir auf der europäischen Ebene der jesuitischen Hilfswerke koordiniert, mit einem Gesamtbudget von über 2 Millionen Euro. Unser Partner auf den Philippinen ist das jesuitische Hilfs- und Sozialwerk SLB.

Genug Geld

Die gute Nachricht: Das Geld reicht. Für die erste Phase der Nothilfe, bei der in 53 Transporten Lebensmittel, Solarlampen und weitere Hilfsgüter an Zehntausende Taifunopfer verteilt wurden, hat SLB sehr erfolgreich lokale Spenden generiert. Ein Großteil unseres Budgets konnte deshalb in den langfristigen Wiederaufbau der Insel Culion fließen. Für die drei betroffenen Fischerdörfer Binudac, Osmeña und Galoc sowie für die indigene Gemeinschaft der Tagbanuas auf einer Nachbarinsel hat SLB mehrere Projektlinien entwickelt: Anschaffung und Reparatur von Fischerbooten, Wiederaufbau von zerstörten Häusern, Neubau von Evakuierungszentren, die gleichzeitig als Mehrzweckhallen die- nen, Bau eines kleinen Internates für entfernt wohnende Schüler, die Bildung von Kooperativen zur besseren Vermarktung des Fischfangs, Ausbau des Ökotourismus – und vor allem Mobilisierung und Stärkung der Dorfgemeinschaften, um geplante Projekte gemeinsam zu tragen.

Vom Boot bis zur Mobilbank

Was wurde bisher erreicht? Von März bis Juni wurden neue Fiberglasboote an Fischerfamilien verteilt oder wahlweise Material, um Boote zu reparieren oder selbst zu bauen. Er- staunlicherweise bevorzugten viele die zweite Möglichkeit. SLB-Mitarbeiter Ye Nunez war davon nicht überrascht: „Wir respektieren die Kultur der Inselbewohner und ihre Fähigkeit, Dinge selbst herzustellen.“ Vor allem die Tagbanuas haben ihre ganz eigene Art, Boote und Häuser komplett ohne Nägel, Schrauben oder sonstiges Metall zu bauen. In groß angelegten Dorfaktionen wurden die Strände von immer noch herumliegenden oder angeschwemmten Taifun-Trümmern gereinigt. Im Sommer begann der Bau von vier Mehrzweck- und Evakuierungszentren. Teams von SLB haben verschiedene Seminare und praktische Übungen in Katastrophenvorsorge, Kooperativenbildung, Buchhaltung und Existenzsicherung durchgeführt. Als Ergebnis der Workshops haben zwei Dorfgemeinschaften eigene Selbsthilfevereine gegründet, die mittlerweile von der lokalen Regierung anerkannt sind. Im Juli wurde auf Culion die erste „BPI Globe BanKO“ eröffnet, ein alternatives Banksystem, das über Mobiltelefon funktioniert und als Plattform für Mikrofinanzen und soziale Entwicklung dient.

Umsiedlung notwendig 

Es ist also einiges geschehen auf Culion. Es gibt aber auch eine schlechte Nachricht: Das Hausbauprojekt hat sich deutlich verzögert. Pater Pedro Walpole, ein führender Experte in „Desaster Risk Management“, hat die Lage der drei Fischerdörfer und mög- liche Umsiedlungsorte überprüft. Sein Ergebnis: Alle drei Dörfer würden beim nächsten Taifun wieder getroffen werden, aber alle geplanten Umsied- lungsplätze haben einen anderen Ha- ken. Entweder ist Zugang zu Trinkwasser ein Problem oder Bodenerosion oder eine zu exponierte Hügellage oder die fehlende Akzeptanz bei der Dorfgemeinschaft, weil der neue Ort zu weit vom Meer entfernt ist. Pater Walpole ist sich jedoch sicher: „Umsiedlungsmaßnahmen sind immer sensibel. Der Prozess mit allen Beteiligten ist das Wichtigste für den langfristigen Erfolg, selbst wenn er Jahre dauert. Ich habe so viele Fälle gesehen, in denen viel zu schnell wieder aufgebaut wurde und beim nächsten Taifun waren die Schäden noch schlimmer. Das hilft niemandem.“ Die Fischerfamilien haben in ihren alten Dörfern alle wieder ein Dach über dem Kopf –sovorläufigundprovisorischesauch sein mag. Wir können momentan nur hoffen, dass bald der Bau von neuen Häusern an einem sicheren Platz beginnen kann. 

Klaus Väthröder SJ

aus Weltweit - Das Magazin der Jesuitenmission, Ausgabe Weihnachten 2014